Eine Zusammenfassung erstellt von Pia Lichtblau für den Rundgang zum Int. Frauentag 2019
- geboren am 11. Februar 1869 in Inzersdorf,
- gestorben am 7. März 1939 in Wien
- jüngstes von 5 überlegenden Kindern und einziges Mädchen (ihre Mutter hatte insgesamt 15 Kinder zur Welt gebracht! 10 davon sind schon als Säuglinge gestorben)
Der Vater war Weber, alkoholabhängig und aggressiv. Er hat seine Frau häufig geschlagen. Die Familie war sehr arm, dazu gab der Vater auch noch einen Teil des ohnehin kargen Lohns für Alkohol aus. Als Adelheid 4 Jahre alt war, wurde der Vater schwer krank – die Kosten für Ärzte und Medikamente verschlangen fast die gesamten Einkünfte der Familie. Zwei Jahre später starb er.
„Ich empfand keine Betrübnis, ja, als ich die von einer wohlhabenden Familie geliehenen Trauerkleider mit Hut und Schleier trug, empfand ich weit eher ein Gefühl der Genugtuung, auch einmal so schön angezogen zu sein.“
Damit die Familie über die Runden kam, mussten neben der Mutter auch die Brüder arbeiten – der jüngste war erst 10, arbeitete als Hilfsarbeiter in einer Fabrik. Adelheid war neben der Schule für den Haushalt verantwortlich. Mit 8 Jahren begann sie, als Heimarbeiterin bis 21 Uhr nachts Knöpfe anzunähen.
Die Arbeitslosigkeit hatte um sich gegriffen, ihre Mutter und ihre Brüder waren ebenfalls arbeitslos geworden, die ganze Familie musste sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. Der jüngste Bruder hatte einen schweren Unfall, musste immer wieder operiert werden, was eine große finanzielle Belastung war. 3 Jahre später ist er gestorben – während dieser 3 Jahre war er ein Pflegefall.
Die Schule konnte Adelheid nicht mehr regelmäßig besuchen – ihre Mutter wurde deshalb sogar einmal zu 24 Stunden Arrest verurteilt und von 2 Gendarmen zuhause verhaftet und abgeführt – eine große Schande. Im Alter von 10 Jahren übersiedelt Adelheid und ihre Mutter von Inzersdorf nach Wien. (Popp 1909, S. 5–7)
„In der Schule wurde ich gar nicht mehr gemeldet, und die Behörde schien von meinem Dasein keine Kenntnis zu haben, denn nie wurde mein Fernbleiben vom Schulbesuch beanstandet. Das hatte allerdings auch seinen Grund. Da meine Mutter nicht schreiben konnte, mußte ich die Meldezettel für die Polizei ausfüllen. Ich hätte mich selbstverständlich in die Rubrik Kinder einzutragen gehabt, da ich mich aber für kein Kind mehr hielt, so ließ ich diese Rubrik unausgefülllt und blieb polizeilich unangemeldet.“ (Popp 1909, S. 7)
Adelheids Mutter war keine Freundin der Schulpflicht: „Sie fand es ungerecht, dass andere Menschen den Eltern vorschrieben, was sie mit ihren Kindern zu tun haben.“ (Popp 1909, S. 5)
Adelheid ging von da an arbeiten und hatte viele verschiedene Arbeitsverhältnisse, oft nur wenige Tage oder Wochen z.b. Schafwollhäklerin, in einer Bronzewarenfabrik, schließlich in einer Korkfabrik. Sie arbeitete 12 Stunden täglich und hat teilweise noch Arbeit für die Nacht nach Hause mitgenommen.
Ihr größter Wunsch: einmal ausschlafen…
war aber nur möglich, wenn sie krank oder arbeitslos war – und dann auch kein Genuss.
Immer wieder berichtet sie von sexuellen Übergriffen durch Vorarbeiter, Fabriksbesitzer etc. Frauen, die sich nicht fügten, wurden schikaniert oder hinausgeworfen, manche prostituierten sich, um bessere Posten zu bekommen – ein Thema, das sie in ihrer politischen Karriere immer wieder angesprochen hat (Popp 1909, S. 8–24)
Weg zur Sozialdemokratie
Adelheid hat sehr gern gelesen – wahllos alles, was ihr in die Hände fiel – romantische Schundromane, Fortsetzungsromane in Zeitungen…Sie musste ihrer Mutter, den Brüdern, aber auch Freundinnen und Bekannten oder Arbeitskolleginnen sehr oft nacherzählen. Das war eine gute Vorübung – sie wurde ja später eine mitreißende und begehrte Rednerin (Popp 1909, S. 10–11)
Mit der Zeit las sie statt Klatsch-Berichten über Erzherzöge und Prinzessinnen immer öfter politische Leitartikel in Zeitungen. Die Berichterstattung über Anarchistenprozesse faszinierte sie . Statt der Adeligen wurden Anarchisten und Sozialdemokraten zu ihren Helden. Von einem Freund ihres Bruders bekam sie zum ersten Mal eine sozialdemokratische Zeitung – die „Gleichheit“ (herausgegeben von Victor Adler). Sie kaufte sie bald selbst jede Woche, später auch mehrere Exemplare, die sie an ihre Kolleginnen in der Korkfabrik weiterverkaufte. Der Freund ihres Bruders bringt ihr Bücher aus dem Arbeiterbildungsverein – u.a. auch von Friedrich Engels „Die Lage der arbeitenden Klassen in England“ oder „Das Recht auf Faulheit“ von Paul Lafarque (Popp 1909, S. 34–40).
„Was aber über die Leiden der Arbeiterschaft geschrieben wurde, das verstand und begriff ich, und daran lernte ich erst mein eigenes Schicksal verstehen und beurteilen. Ich lernte einsehen, dass alles, was ich erduldet hatte, keine göttliche Fügung, sondern von den ungerechten Gesellschaftseinrichtungen bedingt war.“ (Popp 1909, S. 35)
Im Dezember 1889 ging sie zum ersten Mal mit ihrem Bruder zu einer politischen Veranstaltung in ein Gasthaus mit. Sie war die einzige Frau im verrauchten Saal. (Hauch 1995, S. 290)
„Ich kannte (…) keine Frau, die sich für Politik interessiert hätte. Ich galt als eine Ausnahme und betrachtete mich selber als solche. Die soziale Frage, wie ich sei damals verstand, hielt ich für eine Männerfrage und die Politik ebenfalls für eine Sache der Männer.“ (Popp 1909, S. 38)
Allein ging Adelheid noch lange nicht auf Versammlungen – das war gesellschaftlich verpönt, ihre Mutter hat ihr immer eingeschärft: „Ein braves Mädel wird zu Hause gesucht.“ (Popp 1909, S. 36)
Adelheid Popp als Aktivistin
„Jetzt, wo ich ein Ziel vor mir hatte, und wo ich ganz durchdrungen war von dem Gedanken, daß alle Menschen das wissen müßten, was mir bewußt geworden war, jetzt gab ich meine Zurückhaltung auf und erzählte meinen Kolleginnen alles, was ich über die Arbeiterbewegung las. (…) Statt vom Schicksale irgendeiner Königin erzählte ich jetzt von Unterdrückung und Ausbeutung. (…) Ich las in den Pausen die Artikel der sozialdemokratischen Zeitung vor und erklärte, was Sozialismus ist, so gut ich es verstand.“ (Popp 1909, S. 36)
Adelheid verkaufte die Zeitung dann an ihre Kolleginnen weiter (Popp 1909, S. 37–38).
Ihr Eintritt in den Arbeiterinnen-Bildungsverein
„Ich wußte von der Gründung, ich besuchte schon Volksversammlungen […] und doch schreckte ich davor zurück, allein in das Gasthaus zu gehen, um Mitglied zu werden. Erst nach einigen Wochen war mein Entschluß so weit gediehen, daß ich eines Samstags abends in das Vereinslokal ging. Es war kein Gasthaus. Die Organisation der Bäcker hatte der ersten sozialdemokratischen Frauenorganisation Wiens ihr Privatlokal am Neubaugürtel 44 zur Verfügung gestellt. Es war ein ziemlich großer Saal. […] Das Ziel, um das es sich im Arbeiterinnen-Bildungsverein handelte, war mir ja kein fremdes mehr. Ich war schon in vielen Versammlungen gewesen. […] Aber allein war ich noch nirgends gewesen, denn ich hatte dieselbe törichte Auffassung, wie sie noch heute viele Frauen und Mädchen haben, daß es sich für das weibliche Geschlecht nicht schicke, allein irgendwohin zu gehen. Trotzdem der Arbeiterinnen-Bildungsverein in keinem Gasthaus war, hatte ich mich anfänglich gescheut, hinzugehen, obwohl all mein Sehnen mich hinzog.“ (Popp 1912, S. 7–8)
1891 sprach sie zum ersten Mal selbst in einer Versammlung (Hauch 1995, S. 290)
auf einer Branchenversammlung, in der es explizit darum gehen sollte, wie wichtig gewerkschaftliche Organisierung für Frauen ist. Trotz eifriger Agitation waren aber nur 9 Frauen gekommen. Adelheid schämte sich für die Gleichgültigkeit ihrer Geschlechtsgenossinnenund wollte durch ihre Rede die Frauen verteidigen
(Popp 1909, S. 45).
Sie spricht von den Leiden der Arbeiterinnen, von ihrer geistigen Vernachlässigung, in der sie die Grundlage für die Rückständigkeit der Arbeiterinnen sieht. Aufklärung, Bildung und Wissen fordert sie für die Frauen und bittet gleichzeitig die Männer, (…) ihnen dazu zu verhelfen. (Köpl 1989, S. 7)
„Der Jubel in der Versammlung war grenzenlos, man umringte mich und wollte wissen, wer ich sei.“ (Popp 1909, S. 46)
Adelheids politische Karriere
Rednerin: Sie wurde rasch eine begehrte Rednerin, sprach immer öfter auf Versammlungen, oft mehrmals in der Woche.
Sozialistin: 1892 wurde sie Redakteurin der sozialdemokratischen Frauenzeitung Arbeiterinnen-Zeitung (Hauch 1995, S. 290), die sie mit gegründet hat.
„Ich hatte ja nur drei Jahre die Schule besucht, von Orthographie und Grammatik hatte ich keine Ahnung.“ (Popp 1909, S. 46)
Die Arbeiterinnen-Zeitung war grundlegend wichtig für die sozialdemokratische Frauenbewegung. Nur durch sie war es möglich, die Bewegung zu verbreitern und auch in ländliche Regionen zu tragen! Als Redakteurin hatte Adelheid Kontakt zu Frauen in ganz Österreich – dadurch erfuhr sie, was die Frauen beschäftigte, welche Probleme sie hatten und wo es zu gären beginnt.
1893
gründete sie gemeinsam mit anderen den Frauen-Lese- und Diskutierklub Libertas.
Beim Vorstand des Bildungvereins Wien-Meidling und kurz darauf auch Wien-Rudolfsheim. In diesem Jahr sprach sie zum ersten Mal im Parlament bei einer Gewerbeenquete.
Sei heiratete Julius Popp, Parteikassier – er 44, sie 24. (Hauch 1995, S. 291)
In ihm hat sie einen Gesinnungsgenossen gefunden, die beiden führen eine wirklich gute, für damalige Verhältnisse ausgesprochen gleichberechtigte Ehe. Julius Popp ermutigt sie, sich weiterzubilden und wollte sie sogar zu einem Studium überreden. Während sie später oft wochenlange Agitationsreisen unternimmt, kümmert er sich um Haushalt und die beiden Söhne.
Leider dauert die Ehe nicht sehr lange – Julius Popp stirbt 1902.
1902 gründet sie den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen (Duda 2019)
1918 wird Adelheid Popp in den Parteivorstand der SPÖ und in den Wiener Gemeinderat gewählt (Duda 2019)
1919 bis 1934 ist sie Abgeordnete im österreichischen Parlament
Adelheid Popp hat sich während ihres politischen Lebens immer für Frauenpolitik eingesetzt. Indem sie versucht hat, Frauen zu erreichen, ihnen zu Bildung und Wissen zu verhelfen und damit zu ermächtigen, selbst für ihre Rechte zu kämpfen.
Andererseits parteiintern: die Frauenbewegung war insbesondere bei den männlichen Genossen nicht unumstritten. Chauvinisten gibt es auch unter ihnen zuhauf. Bei ihrer Rede im Parlament 1893 tritt sie bereits für das Frauenwahlrecht ein (1918 beschlossen, 1919 in Kraft).
1896 fordert sie bereits die Gründung einer eigenen Frauenorganisation.
1898 war sie eine der Organisatorinnen der ersten Frauenreichskonferenz, die gegen den Willen der männlichen Genossen durchgeführt worden ist.
1899 fordert sie eine Quotenregelung für die Delegierungen zu Parteitagen (1912 erreicht)
Literaturverzeichnis
Duda, Sibylle (2019): Adelheid Popp. Online verfügbar unter http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/adelheid-popp/, zuletzt geprüft am 08.02.2019.
Hauch, Gabriella (1995): Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919 – 1933. Wien: Verl. für Gesellschaftskritik (Studien zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte, 7).
Köpl, Regina (1989): Adelheid Popp. In: Edith Prost (Hg.): „Die Partei hat mich nie enttäuscht“. Österreichische Sozialdemokratinnen. Wien: Verl. für Gesellschaftskritik (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, 41), S. 5–43.
Popp, Adelheid (1909): Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin. Von ihr selbst erzählt. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung.
Popp, Adelheid (1912): Zwanzig Jahre Arbeiterinnenbewegung. In: Adelheid Popp (Hg.): Gedenkbuch 20 Jahre österreichische Arbeiterinnenbewegung. Wien: Kommissionsverlag der Wiener Volksbuchhandlung „Vorwärts“, S. 6–23. Online verfügbar unter http://www.literature.at/viewer.alo?objid=1046&viewmode=fullscreen&scale=2&rotate=&page=8, zuletzt geprüft am 08.02.2019.
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