Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft: Soziales Kettensägenmassaker verhindern!

Die erste Runde der Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) ist wie zu erwarten war ergebnislos zu Ende gegangen. Wie die Forderungen der Bosse schon vermuten ließen, legten sie noch nicht einmal ein Angebot auf den Tisch. Im Gegenteil! Selbst eine Abgeltung der Inlfation ist laut ihnen unmöglich, obwohl die zuständigen Gewerkschaften GPA und vida ohnehin nur magere 4% (was einem Drittel des Verhandlungsteams zu wenig war) fordern. Und das in einer Branche, in der das Dasein als working poor ohnehin Alltag ist. Über andere Verbesserungen, wie die seit langem von vielen Kolleg*innen geforderte Arbeitszeitverkürzung wollen sie noch nicht mal reden.

Transparent: Soziale Arbeit ist mehr wertDie Gewerkschaftsvertreter*innen wiesen diese skandalöse Haltung öffentlich auch klar zurück: „Die Beschäftigten lassen sich nicht auf der Nase herumtanzen!“ und „Wir sind nicht bereit, die Rechnung für die verfehlte Budgetpolitik der Vergangenheit zu tragen!“ Doch: Werden den Worten auch Tagen folgen? Die derzeit geplante Fotoaktion  „4 Minuten für 4%“ wird dafür jedenfalls nicht reichen! Da wir täglich mehr als vier Minuten am Klo verbringen, wird diese die Bosse nicht einmal ansatzweise kratzen.

Daher wundert es uns nicht weiter, dass das vielen Kolleg*innen nicht reicht. Weil es ihnen reicht! Noch mehr Armut und Einknicken vor den untätigen politischen Verantwortlichen und den gut bezahlten Geschäftsführungen, die ihren Job nicht machen, also nicht die erforderlichen Budgets für menschenwürdige Areitsbedingungen auftreiben, können sie sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten.

Kein Wunder also, dass die große Mehrheit der in der Gewerkschaft GPA organisierten Wiener Betriebsrät*innen, die seit jeher die Speerspitze von Arbeitskämpfen im Gesundheits- und Sozialbereich sind, mehr wollen. Auf der Betriebsrät*innenkonferenz des in der GPA Wien für diese Verhandlungen zuständigen Wirtschaftsbereich 17 (WB 17) wurde daher am 23.10.2025 die folgende Resolution beschlossen.

Der Sozial- und Gesundheitsbereich befindet sich aktuell durch massive Kürzungsprogramme in Bund, Ländern und Gemeinden gewaltig unter Druck. Auch vor Wien macht diese Entwicklung nicht halt. Einsparungen, Leistungskürzungen, Um- oder Ausgliederungen stehen auf der Tagesordnung. Subventionen für wichtige Einrichtungen und Projekte werden gekürzt, die Gelder trotz Inflation und Gehaltserhöhungen nicht angehoben oder bei gleich bleibenden finanziellen Mitteln die ansteigenden Klient*innenzahlen nicht abgegolten.

Der FSW wird heuer rund 500 Millionen Euro weniger an die von ihm geförderten Unternehmen auszahlen, und auch bei Förderungen durch die Magistratsabteilungen (MA 11 Wiener Kinder- und Jugendhilfe, MA 13 Bildung und Jugend, MA 40 Soziales und Gesundheit, …) sowie im Wiener Gesundheitsverbund (WiGeV) wird durchwegs gekürzt. Für die nächsten Jahre stehen weitere massive Kürzungen ins Haus. Das bedeutet drastische Einsparungen bei den Angeboten für Klient*innen/Kund*innen wie auch ein massiver Sparstift bei den Beschäftigten und Arbeitsbedingungen.

Das betrifft Organisationen im Behindertenbereich und in Sozialökonomischen Projekten genauso wie im Beratungsbereich, der Berufsqualifizierung, der Jugendarbeit, Streetwork, Sozialarbeit, in der Flüchtlingsbetreuung und vieles mehr.

Um Angebote trotzdem noch aufrecht erhalten zu können, kürzen schon Mitarbeiter*innen ihre Wochenstunden – was bedeutet, dass oft dieselbe Arbeit mit weniger Gehalt geleistet wird.

In anderen Bereichen wird nicht „nur“ gekürzt, sondern zerstört, indem etablierten Projekten der Garaus gemacht wird. Dutzende bis hunderte engagierte Kolleg*innen verlieren ihre Jobs, hunderte bis tausende Klient*innen dringend notwendige Beratung, Betreuung und Begleitung. Jahrzehntelange Aufbau- und Pionierarbeit wird in wenigen Monaten zunichte gemacht.

Die Kürzungen bei der Mindestsicherung kommen dann noch dazu: Sie treffen genau jene Menschen, mit denen wir im Sozial- und Gesundheitsbereich tätig sind – der überwiegende Großteil sind Working Poor, Kinder, Geflüchtete, Alte und Menschen mit Behinderung. Das führt in akute Armut und Wohnungslosigkeit und verschlechtert ihre Chancen auf Bildung, Teilhabe und Integration.

Die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich müssen eine fortschreitende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in dieser ohnedies unterbezahlten Branche, in der überwiegend Frauen arbeiten, feststellen. Die Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, die mit einer laufenden Intensivierung der Arbeit einhergehen, gehen auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten wie auch auf Kosten der Leistungsbezieher*innen.

Im Gegenteil wäre aber eine finanzielle Aufstockung erforderlich, um die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Gesundheits- und Sozialleistungen dauerhaft sicher zu stellen und die über die psychischen und physischen Grenzen gehende Arbeitsintensivierung für die Beschäftigten wieder zu reduzieren.

Die Finanzierung von sozialen Dienstleistungen muss trotz Budgetminus nachhaltig gesichert und, im Gegensatz zum aktuellen Trend, auf hohem Niveau ausgebaut werden! Daher ist der gewerkschaftliche und gesellschaftspolitische Kampf gegen diese Rotstiftpolitik sowie die Forderung nach einer Sozialmilliarde wichtiger denn je.

  • Die Betriebsrät*innen des privat organisierten Wiener Sozial- und Gesundheitsbereichs stellen sich entschieden gegen diese Kürzungspolitik ihrer Stadtregierung!
  • Die Betriebsrät*innen-Konferenz fordert alle gewerkschaftlichen Gremien in der GPA, den anderen Fachgewerkschaften und im ÖGB auf, gegen dieses Sparpaket aktiv zu werden!
  • Die Betriebsrät*innen stellen fest: Wir werden diese Kürzungen nicht akzeptieren, sondern wir kämpfen gemeinsam mit unseren Belegschaften und den uns anvertrauten Menschen und ihren Angehörigen dagegen an!
  • Dazu werden wir auch die Mobilisierungen im Zuge der Kollektivvertrags-Verhandlungen nutzen, wie zum Beispiel den geplanten Protesttag am 26. November. Wir sind streikbereit!

Schade, dass die wahren Gründe für die Sparpolitik – die Krise des Kapitalismus und der Umbau unserer Volks- in Richtung Kriegswirtschaft – in dieser Resolution nicht erwähnt werden. Und gleichzeitig gut, dass sich die Betriebsrät*innen in Wien nicht einzig auf „4 Minuten“ festnageln lassen. Eine erste Aktion, die über die lächerlichen „4 Minuten“ hinausgeht, ist bereits geplant: Am 6.11. um 9 Uhr vor Wien Mitte. Solidarische Teilnahme ist sicher herzlich willkommen!

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