Pedro García Cano, Mitglied des Bundesvorstandes der Gewerkschaft Confederación Sindical de Comisiones Obreras (CCOO) in der Industrie, berichtet über den gewerkschaftlichen Aktionstag in Spanien für Palästina am 15. Oktober. Da dieser Beitrag, der zuerst am 21.10.2025 hier veröffentlich wurde, auch relevante Lehren für die österreichische Gewerkschafts- und Friedensbewegung enthält, haben wir diesen aus dem Englischen für euch übersetzt.
Der Aktionstag am 15. Oktober 2025 im spanischen Staat zur Unterstützung des palästinensischen Volkes war vor allem durch die von den beiden größten Gewerkschaften, Comisiones Obreras (CCOO) und Unión General de Trabajadores (UGT), ausgerufenen Teilstreiks geprägt, die zu zweistündigen
Arbeitsniederlegungen in jeder Schicht aufriefen.
Dieser Aktionstag folgte auf eine deutliche Zunahme der Beteiligung an der Palästina-Bewegung in diesemSommer bei verschiedenen Etappen des Radrennens Vuelta a España. Es gab eine Reihe von Zwischenfällen, insbesondere in Bilbao und Madrid, wo das Rennen durch Proteste unterbrochen wurde. Darauf folgten auch Massenmobilisierungen zur Unterstützung der Teilnehmer*innen an der Global Sumud Flotilla, bei denen am 4. Oktober 300.000 Menschen in Barcelona und 500.000 in Madrid demonstrierten.
Die Ankündigung des Aktionstages am 15. Oktober, einschließlich einer zweistündigen Arbeitsniederlegung in jeder Schicht, kam für viele Gewerkschafter*innen zu spät, die der Meinung waren, dass der Streik früher hätte ausgerufen werden sollen. Dessen Ankündigung erfolgte auf Basis von Beschlüssen auf Gewerkschaftskongressen. So beispielsweise durch die CCOO, in einigen ihrer Branchen- und Regionalorganisationen, die im April und Mai tagten, sowie am Gewerkschasftstags im Juni selbst.
Die Vorstände der Gewerkschaften UGT und CCOO haben am 29. September den Aufruf zu Streiks am 15. Oktober veröffentlich. Am 3. Oktober schlossen sich verschiedene kleinere Gewerkschaften und Student*innenorganisationen dem Aufruf zu einem 24-stündigen Generalstreik am selben Tag, dem 15. Oktober, an.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die enorme Medienberichterstattung, in der Trumps Unterzeichnung des sogenannten „Friedensabkommens” am Montag, den 13. Oktober, in Ägypten, das zu einem Waffenstillstand in Gaza und einem Gefangenenaustausch führte, gelobt wurde, als wirksames Instrument zur Demobilisierung gedient und Druck auf die organisierenden Gruppen selbst ausgeübt hat, die Streiks und Mobilisierungen abzusagen. Dies ist jedoch nicht geschehen, obwohl die Auswirkungen an den Arbeitsplätzen sehr begrenzt waren.
An unserem Arbeitsplatz hielten wir am Tag vor und am Tag der Arbeitsniederlegung Versammlungen ab, die von der Gewerkschaft CCOO organisiert wurden. Am Tag der Arbeitsniederlegung fand eine weitere gemeinsame Versammlung der CCOO und der UGT statt. Dies führte dazu, dass sich uns mehrere Dutzend Kolleg*innen während der zweistündigen Arbeitsniederlegung am Vormittag anschlossen, um zum Stadtplatz in Getafe (am Stadtrand von Madrid) zu gehen und an einer von der CCOO organisierten Demonstration teilzunehmen. Unsere Gewerkschaftsgruppe schloss sich mit einem Transparent mit der Aufschrift „Stoppt den Völkermord, brecht die Beziehungen zu Israel ab“ an.
Streiks und Forderungen
Die Aufrufe zu Streiks und Arbeitsniederlegungen waren in den verschiedenen Gewerkschaften recht unterschiedlich. Es gab auch bemerkenswerte Unterschiede hinsichtlich des Engagements der großen Gewerkschaften bei den Demonstrationen. In Madrid zog sich die UGT aus den lokalen Kundgebungen am Vormittag und aus der Demonstration am Nachmittag auf der Puerta del Sol zurück. In Barcelona war dies nicht der Fall. Dort nahmen beide Gewerkschaften an den Demonstrationen teil. Zweifellos spielte dabei die Arbeit der in Katalonien gegründeten Gruppe „UGT-Mitglieder für Palästina” eine Rolle.
Obwohl die tatsächlichen Auswirkungen der von den großen Gewerkschaften ausgerufenen Arbeitsniederlegungen und des von den kleineren Gewerkschaften ausgerufenen sogenannten Generalstreiks recht begrenzt waren, fanden in den großen Städten mehrere Demonstrationen mit Zehntausenden von Teilnehmern statt, die jedoch bei weitem nicht das Niveau der Beteiligung vom Samstag, dem 4. Oktober, erreichten.
Der größte Erfolg des Aktionstages am 15. Oktober war jedoch, dass die Arbeiter*innenbewegung zum ersten Mal seit zwei Jahren beschlossen hat, sich aktiv am Kampf gegen den Völkermord in Palästina zu beteiligen und diesen mit Streiks und Arbeitsniederlegungen an den Arbeitsplatz gebracht hat, wo 1.000 Betriebsratsörperschaften und Gewerkschaftsgruppen den Aktionstag unterstützt haben, was zu Versammlungen an den Arbeitsplätzen und Kundgebungen in den einzelnen Regionen und Aufrufen zu Demonstrationen in den wichtigsten Städten führte.
Bei allen Mobilisierungen am 15. Oktober wurden erneut dieselben Forderungen gestellt, die bereits zuvor erhoben worden waren. Nämlich, dass die spanische Regierung alle Beziehungen zum völkermörderischen Staat Israel abbricht, ein echtes und wirksames Waffenembargo verhängt (das die spanische Regierung nun, da ein Waffenstillstandsabkommen erzielt wurde, aussetzen will, obwohl das kürzlich verabschiedete Embargo ohnehin schon schwach und lediglich symbolisch war) und die Forderung nach Sanktionen gegen den Staat Israel umgesetzt wird, um sicherzustellen, dass der Waffenstillstand hält, dass humanitäre Hilfe nach Gaza gelassen wird und letztendlich die Freiheit, das Recht auf Rückkehr und das Recht auf Selbstbestimmung für das palästinensische Volk gewährleistet werden.
Im Aufruf der wichtigsten Gewerkschaften, der UGT und der CCOO, sowie in den Erklärungen ihrer Führungen wurden mehrere wichtige Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel die Notwendigkeit, uns weiterhin zu mobilisieren, um dem Völkermord endgültig ein Ende zu setzen, die „Waffenruhe” vom vergangenen Montag kritisch zu hinterfragen und auf ihre Grenzen hinzuweisen, sich auf die Resolutionen verschiedener internationaler Gremien zur Realität des Völkermords zu stützen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, die Menschenrechte zu verteidigen und anzuprangern, dass die US-Regierung in Zusammenarbeit mit anderen Regierungen versucht, dem palästinensischen Volk einen sogenannten Plan für Gaza aufzuzwingen, ohne dieses selbst einzubeziehen, während der Völkermord an den Palästinenser*innen noch immer andauert. Darüber hinaus haben die Gewerkschaften besonderen Wert darauf gelegt, sich gegen den Druck von Trump und seine Drohungen, Spanien einseitige Zölle aufzuerlegen, wenn die Regierung von Pedro Sánchez die Militärausgaben nicht auf 5 % des BIP erhöht, zu behaupten.
Widerstand gegen Trump und Militarisierung
Trumps Drohungen (darunter auch der Ausschluss Spaniens aus der NATO) sind besonders schockierend, wenn wir bedenken, dass Spanien in den letzten zwei Jahren seine Rüstungsausgaben drastisch erhöht hat und laut dem Delás Centre for Peace Studies die Militärausgaben von 1,4 % auf 2,5 % des BIP gesteigert hat. Dies entspricht einer Steigerung von mehr als 11 Milliarden US-Dollar pro Jahr, Geld, das eigentlich für öffentliche Dienstleistungen zur Deckung der Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung verwendet werden sollte, anstatt die „Verteidigungsausgaben” anzukurbeln. Diese Steigerung zeigt bereits Auswirkungen und wird zweifellos zu weiteren Kürzungen der wirklich notwendigen öffentlichen Ausgaben führen.
Heute wurde durch die Zeitung El País bekannt, dass Spanien zwischen 2023 und 2024 Militärgüter im Wert von fast 4 Milliarden Euro aus den Vereinigten Staaten gekauft hat. Allein die Ausgaben für Dutzende von in den USA hergestellten „Patriot”-Raketensystemen und -Ausrüstungen machten die Hälfte der Beschaffungsausgaben des Militärs im Jahr 2024 aus.
Heute haben wir außerdem in La Vanguardia gelesen, dass Verteidigungsministerin Margarita Robles der NATO mitgeteilt hat, dass Spanien sich der Gruppe von Ländern anschließen könnte, die US-Waffen für die Ukraine kaufen wollen. Ziel dieses neuen Beschaffungsprogramms ist es, die militärischen Ausrüstungsgüter, die die USA bisher der ukrainischen Regierung gespendet haben, zu ersetzen und die Kosten direkt auf die europäischen Länder abzuwälzen.
Ich denke, dass es heute mehr denn je notwendig ist, darauf hinzuweisen, dass der Kampf zur Unterstützung Palästinas untrennbar mit dem Kampf gegen die Wiederaufrüstung und den brutalen Anstieg der Militärausgaben in unseren eigenen Ländern sowie mit der Beteiligung spanischer Truppen, Kampfflugzeuge, Raketensysteme und Kriegsschiffe an der Aufrechterhaltung des Krieges in der Ukraine verbunden ist.
Meiner Ansicht nach liegt die Bedeutung des Aktionstages am 15. Oktober in seinem Potenzial, die Bewegung für Palästina aufrechtzuerhalten und auszubauen. Dieser muss dazu dienen, die Beteiligung der breiteren Arbeiter*innenklasse zu vergrößern. Damit dies geschieht, ist es entscheidend, dass wir die Beteiligung der Gewerkschaften vertiefen. Wir müssen an den Arbeitsplätzen die Farce der Vereinbarungen erklären, die von Trump und anderen Regierungen, die sich als wenig mehr als Komplizinnen betätigen, aufgezwungen wurden. Im Mittelpunkt muss dabei stehen, die spanische Regierung zur Rechenschaft zu ziehen: Wir müssen von ihr verlangen, dass sie ein für alle Mal alle Beziehungen zum völkermörderischen Staat Israel abbricht, dass sie ein echtes, wirksames Handelsembargo verhängt und durchsetzt und dass sie Sanktionen und Rechenschaft für die Verbrechen des israelischen Staates fordert. Es ist unerlässlich, dass wir uns zusammenschließen und alle großen Gewerkschaften, politischen und sozialen Kampagnen sich der Bewegung anschließen, um der immensen sozialen Mehrheit in unserem Land, die den Völkermord in Gaza ablehnt, die Möglichkeit zu geben, sich weiterhin und immer überzeugender Gehör zu verschaffen.
Dank der internationalen Bewegung in zahlreichen Ländern, wie beispielsweise dem beeindruckenden Marsch in London am 11. Oktober, an dem 600.000 Menschen teilnahmen, oder dem Generalstreik und den Arbeitsniederlegungen in Italien, stehen unsere jeweiligen Regierungen unter Druck, den Waffenstillstand aufrechtzuerhalten und dem Massaker am palästinensischen Volk endgültig ein Ende zu setzen. Was letztendlich erreicht werden muss, ist die echte Anerkennung des Existenzrechts der Palästinenser*innen und eine Zukunft, über die sie selbst frei bestimmen können.
Aufbau einer international vereinten Bewegung
Die hunderttausenden Demonstrant*innen in Spanien in den letzten Wochen gegen den Völkermord erinnern uns an die beeindruckende soziale Bewegung gegen den Irakkrieg vor zwanzig Jahren, ähnlich wie die Bewegung im Vereinigten Königreich. Dank der Einheit und des Engagements aller großen politischen und gewerkschaftlichen Organisationen in der Bewegung gegen den Irakkrieg wurde unter anderem schließlich die Regierung Aznar, die uns auf der Grundlage von Lügen in die Invasion und Besetzung des Irak hineingezogen hatte, gestürzt, und die erste Amtshandlung des neuen Premierministers war der Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak.
Die internationale Koordination und Ausbreitung der Bewegungen und Streiks in verschiedenen Ländern ist von entscheidender Bedeutung. In dieser Hinsicht war die internationale Konferenz gegen den Krieg, die am 4. und 5. Oktober in Paris stattfand, ein wichtiger Meilenstein. Sie brachte über 150 Delegierte aus achtzehn Ländern zusammen und gipfelte in einer Kundgebung mit mehr als 4.000 Menschen beim Dome de Paris.
Auf diese Veranstaltung folgt eine große Konferenz und Demonstration, die für kommenden Juni in London geplant ist und von der Stop the War Coalition im Vereinigten Königreich zusammen mit dem in Paris gebildeten internationalen Organisationskomitee organisiert wird. In Spanien haben sich über 200 Gewerkschafter*innen sowie verschiedene Führer*innen politischer und sozialer Bewegungen aus dem ganzen Land, darunter mehrere Parlamentsabgeordnete, den Forderungen der internationalen Organisator*innen der Konferenz und Kundgebung in Paris angeschlossen.
Ab sofort müssen wir gemeinsam öffentliche Veranstaltungen organisieren, um die Vorbereitungen für die Kundgebung in London auszuweiten, zur Mobilisierung beizutragen und weiterhin Initiativen zu ergreifen, um der Regierung klar zu machen, dass wir die Erhöhung der Militärausgaben ablehnen. Kein einziger Euro und kein einziges Leben sollte für den Krieg aufgewendet werden, und die Regierung muss alle Beziehungen zum Völkermordstaat Israel abbrechen.
Im Vergleich zu anderen Regierungen ist die spanische Regierung weiter gegangen, um den Völkermord anzuprangern. Dennoch stellt sie sich weiterhin hinter globale Institutionen und andere Regierungen und verhält sich weitgehend komplizinnenhaft und passiv gegenüber den Maßnahmen Trumps und Netanjahus. Sie beschränkt sich darauf, sterile Appelle und Bitten an die USA und Israel zu richten, zu dem vermeintlichen Friedensprozess zurückzukehren, der auf der gescheiterten Idee der „Zweistaatenlösung“ basiert. Mehrere Länder erklären sogar, dass sie die Entsendung von Truppen nach Gaza nicht ausschließen. In Zeiten wie diesen ist es offensichtlich, dass ein echter palästinensischer Staat nicht existieren kann, solange Israels völkermörderische Institutionen bestehen.
Meiner Meinung nach ist es angesichts der tiefen Brutalität, die in den letzten zwei Jahren mit einem Völkermord und der absoluten Verfolgung der Palästinenser*innen nicht nur in Gaza, sondern auch in allen besetzten Gebieten, im Westjordanland, in der gesamten Region und sogar innerhalb des Staates Israel zu sehen, klar, dass keine friedliche Lösung möglich ist, wenn der zionistische Staat bestehen bleibt. Die einzige wirkliche Lösung besteht darin, das Recht eines Volkes zu respektieren, über seine eigene Zukunft zu entscheiden: die Bildung eines einzigen demokratischen Staates namens Palästina. Dieser muss das Recht auf Rückkehr von Millionen von Flüchtlingen und Exilant*innen respektieren. Keine Form von Diskriminierung oder Apartheid darf weiterbestehen. Araber*innen und Jüd*innen müssen gemeinsam für Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und einen echten Frieden auf allen Seiten eintreten.
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